Bild oben: Zeichnung von Ernst Haeckel von den Korallenriffen im Roten Meer von 1876
Korallenriffe sind die artenreichsten und wahrscheinlich wertvollsten Ökosysteme unserer Erde. Sie bedecken weniger als 1% des gesamten Meeresbodens, beherbergen aber in etwa ein Viertel allen Lebens im Meer. 1,2–1,4 Millionen verschiedenen Arten bieten sie Nahrung, Heimat und Gemeinschaft. Sie sind faszinierende Orte der Verbindung, voller Lebendigkeit, Wunder und Magie. Ihre Bedeutung reicht über ihr unmittelbares Umfeld weit hinaus. Denn auch uns schenken sie, auf ganz vielfältige Art und Weise, Schutz und Leben.
Im ersten Teil meiner zweiteiligen Reihe zu diesen faszinierenden Ökosystemen erfährst du, was Korallen sind, wie Riffe entstehen, warum Korallenriffe in Gefahr sind und was das für unsere Natur bedeutet.
Was sind Korallen und wie entstehen Korallenriffe?
Korallen sind Polypen und gehören wie auch Quallen und Seeanemonen zu den sogenannten Nesseltieren. Im Gegensatz zu ihren schwimmenden Verwandten lassen sich die Korallenpolypen jedoch dauerhaft an ihrem Wohlfühlort nieder und bilden Kolonien. Es gibt eine enorme Vielfalt von Korallenarten, die wohl bekanntesten sind die Steinkorallen. Es gibt sie in unterschiedlichsten Formen und Größen. Sie sind maßgeblich für die Riffbildung verantwortlich, da sie im Laufe ihres Lebens durch die Ablagerung von Kalk ein Kalkstein-Skelett ausbilden.
Wie alles beginnt.
Das Wunder eines Korallenriffs beginnt bereits mit dem Laichen der Korallen. Ein spektakuläres Ereignis, dass nur einmal im Jahr stattfindet. Durch die Phasen des Mondes getaktet, normalerweise zur Springflut und nur unter ganz bestimmten Umgebungsbedingungen geben alle Korallenorganismen eines Riffs nahezu gleichzeitig ihre Ei- und Spermienzellen an das Wasser ab. So geschieht es, dass im Great Barrier Reef jährlich kurz nach Vollmond meist im November auf einer Fläche von 350.000 Quadratkilometern ein Massenereignis stattfindet, das einem Unterwasser-Schneesturm gleicht.
Mit der befruchteten Eizelle (Planula) beginnt der Lebenszyklus einer neuen Koralle. Diese lässt sich von Gezeiten und Strömung auf einen Felsen tragen, der geeignet ist, um sich dauerhaft niederzulassen. Wenn die Bedingungen stimmen, dann erfolgt die Metamorphose zum Polypen. Dieser bemüht sich nun so schnell wie möglich eine Kolonie zu bilden, indem er sich, wie viele andere Nesseltiere asexuell vermehrt und neue Polypen wachsen lässt. Zur Kolonie gesellen sich mit der Zeit noch mehr Polypen und verschiedene Korallenarten und so etabliert sich im Laufe der Zeit – und hier reden wir von mindestens einem halben Jahrhundert – ein neues kleines Riff. Die heute lebenden Riffstrukturen des Great Barrier Riffs werden auf ein Alter von etwa 10.000 Jahren geschätzt
Das Laichen der Korallen im Great Barrier Reef
Eine symbiotische Wohngemeinschaft
Die Korallen wären nichts ohne ihre winzigen einzelligen Pflanzen-Freunde, die Zooxanthellen. Das sind unzählige mikroskopisch kleine Algen, die in Symbiose mit einem Korallenpolypen leben. Die Algen fangen das von der Oberfläche kommende Sonnenlicht ein und erzeugen mittels Fotosynthese Kohlenhydrate und Sauerstoff für ihren Polypen. Im Gegenzug bietet der Polyp seinen kleinen Mitbewohnern Schutz sowie lebenswichtige Nährstoffe und Kohlendioxid.
So ist der Polyp am Tag mit genügend Nährstoffen versorgt. Im Schutze der Nacht, wenn die weidenden Tiere und Korallenfresser inaktiv sind, streckt er zusätzlich seine stechenden Tentakeln aus, um sich von vorbeischwimmenden organischen Partikeln und kleinen Organismen zu ernähren.
Die Synergie zwischen Polyp und Zooxanthellen führt außerdem dazu, dass die Korallen ihr kalkhaltiges Skelett ausbilden können.
Wie der Polyp zu seiner Farbe kommt.
Es ist wichtig, dass die Symbiose in einer guten Balance ist. Denn ohne die Zooxanthellen kann der Polyp nicht überleben. Eine exponentielle Ausbreitung der grünlich-braunen Algen würde ihn aber ebenso gefährden. So sind die Nesseltiere bestrebt die Anzahl der Zooxanthellen in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten.
Und hier entfaltet sich die Farbmagie. Durch spezielle Pigmente und Proteine im Korallengewebe kontrollieren die Polypen die Menge und Art des Lichtes, das ihre sonnenliebenden Partner erreicht.
- Verschiedene sogenannten Chromoproteine führen dazu, dass das Licht bei bestimmten Wellenlängen reflektiert und erzeugen so das vielfältige Farbspektrum.
- Fluoreszierende Pigmente hingegen absorbieren das Licht bei zu hoher (schädlichen) Wellenlänge und setzen es bei niedriger Wellenlänge wieder frei. Durch die Pigmente können die Korallen geradezu glühend erstrahlen.
Damit die Korallen so bunt erscheinen, wie wir sie von Bildern kennen, muss die Symbiose in einem gesunden Gleichgewicht sein. Es ist ein so komplexes und gleichzeitig fragiles System, dass ich immer wieder ins Staunen gerate. Zu viele Algen lassen die Korallen grünlich braun erscheinen. Leider beobachten Forschende in den letzten Jahren vermehrt, wie die Korallen immer farbloser und brauner werden. Zusätzlich tritt verstärkt ein Phänomen auf, dass Korallenbleiche genannt wird. Was geschieht hier?
Korallenbleiche: Warum sind Korallenriffe gefährdet und was bedeutet es für unsere Natur?
Die erschreckenden Bilder von abgestorbenen Korallenriffen hat in den letzten Jahren sicher jede:r schon einmal gesehen. Das einst so bunte und lebendige Treiben ist passé und übrig bleiben weiß-graue Geisterstädte, die brach auf dem Meeresgrund liegen. Nur einzelne, verirrte Fische schwimmen umher.
Erst im März 2022 wurde gemeldet, dass es im Great Barrier Reef im australischen Sommer zu einer weiteren Massenbleiche kam – die Dritte innerhalb von fünf Jahren. Forschende gehen davon aus, dass bereits ein Drittel der globalen Korallenriffe so stark beschädigt ist, dass es fraglich ist, ob die Riffe sich je wieder erholen können. Weitere 40% sind stark gefährdet.
Bevor Korallen absterben, kommt es zur Korallenbleiche.
Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die dazu führen, dass es unseren Weltmeeren immer schlechter geht. Wie bei allen Ökosystem auf unserer Erde führt die Störung des fragilen Gleichgewichtes auch bei Korallenriffen zu Problemen. Da sind zum einen lokale Faktoren, wie Überfischung und Überdüngung sowie die Verschmutzung der Gewässer durch Plastikmüll und Geisternetze. Noch viel schwerer wiegt für die Korallen aber die mit dem Klimawandel einhergehende Erwärmung und Übersäuerung der Meere.
Vor allem Steinkorallen haben nur einen eng eingegrenzten Wohlfühl-Temperaturbereich. Wenn dieser nur um ein paar Grad überschritten ist, wird die Symbiose mit den Algen für die Nesseltiere zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit. Die unter Wärme-Stress geratenen Zooxanthellen produzieren Giftstoffe, die sich natürlich auch negativ auf den Polypen auswirken. Daher werden die Algen abgestoßen und übrig bleibt der weiße Kalkmantel. Wenn sich nun innerhalb weniger Wochen keine neuen Zooxanthellen in der Koralle ansiedeln, hungert sie aus, stirbt ab und wird von Algen überwachsen. Hinzu kommt, dass es durch die Übersäuerung der Meere zu einer Reduktion der Kalkbildung kommt.
Nun ist die Korallenbleiche ein natürlicher Vorgang, der nicht erst seit den vergangenen Jahren bekannt ist und Korallen sind durchaus in der Lage sich kleinen Veränderungen in ihrer Umgebung anzupassen. Nur haben sie mit der rasanten Erwärmung unserer Ozeane einen entscheidenden Nachteil gegenüber anderen Lebewesen: Sie können nicht in kältere Gefilde fliehen und die Veränderungen passieren zu schnell, um sich davon zu erholen.
Gebleichte Korallen, Cenderawasih Bucht, West Papua
Was bedeutet das Absterben der Riffe für die Natur?
Allein das komplexe Zusammenspiel zwischen Korallenpolyp und Zooxanthellen eröffnet ein Wunderwerk der Evolution, das sich über Jahrmillionen entwickelt hat. Zoomt man aber einmal etwas heraus und betrachtet die Zusammenhänge in einem Riff, dann erschließt sich erst die faszinierende Welt dieser wertvollen Ökosysteme. Die Kalkskelette der Riffe türmen sich zu großen Unterwasserstädten auf, Anemonen und Weichkorallen lassen ihre Tentakeln in der Strömung treiben. Für unzählige Lebewesen bieten die Riffe Zufluchtsorte, Höhlen, Weideplätze, Putzstationen und Jagdgründe. Manche wohnen hier ihr ganzes Leben lang, andere kommen tage- oder wochenweise zu Besuch.
Korallenriffe sind Nahrungsquellen, Paarungsorte und Brutstätten. Und das nicht nur für die kleinen, bunten Fische, Oktopoden und Riffhaie, die wahrscheinlich jede:r vor Augen hat. Auch die ganz großen Meeresbewohner schauen einmal im Jahr vorbei. Die Buckelwalweibchen begeben sich Jahr für Jahr auf eine 5.000 km lange Reise von ihren reichen Nahrungsgründen in den Polarmeeren zu den tropischen Riffen, um für die Geburt und Aufzucht der Jungen einen geeigneten Rückzugsort zu finden. Es gibt wohl kaum einen anderen Lebensraum im Meer, der so überlebenswichtig für so viele Arten ist.
Gibt es Hoffnung?
Ein Absterben der Riffe hätte also für unsere Natur und damit auch für uns katastrophale Folgen und so hängt die Zukunft vieler Lebewesen an einer kleinen Wohngemeinschaft, in der die Mitbewohner lernen müssen sich neuen und erschwerten Begebenheiten anzupassen.
Gibt es Hoffnung? Ja! Die Natur ist bereits dabei ihre Magie spielen zu lassen und nach neuen Lösungen zu suchen. Welche das sind, was wir Menschen machen können um sie dabei zu unterstützen und warum es für uns überhaupt wichtig ist, die Korallenriffe zu bewahren, erfährst du im zweiten Teil, der hier bald veröffentlicht wird.
typocean unterstützt mit einer jährlichen Spende die Organisation coral reef care, die sich um die Wiederaufforstung und den Schutz von Korallenriffen kümmert. Du möchtest auch mit einer Spende helfen? Dann schau einmal auf der Seite von coral reef care vorbei und entdecke die verschiedenen Möglichkeiten.
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